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Tour of Thailand (UCI 2.2; 24.1.-29.1.2006)

 

 

 

 

 

Nachdem ich meinen Radkarton an der Gepäckausgabe in Empfang nehme, mache ich mich auf die Suche nach drei von meinen Teamkollegen. Mit diesen hatte ich mich im Vorfeld dieser Reise auf dem Flughafen von Bangkok verabredet. Kurze Zeit des Wartens vergeht, ehe mir bis dahin unbekannte Personen begegnen („Bist du Karsten?“). Das waren sie also: Rene, Marcel und Tobias. Damit wäre im Übrigen auch der Beweis erbracht, dass mit sperrigen Radkoffern bepackte Reisende einfach nicht zu übersehen sind.

 

 

Zusammen machen wir uns auf den Weg nach Chiang Mai, wo übermorgen der Start der Tour of Thailand stattfindet. Diese ist in diesem Jahr aufgrund des 60jährigen Jubiläums des Königs besonders gut dotiert und folglich auch gut besetzt. Der Sieger darf sich in Zukunft Baht-Millionär nennen; umgerechnet ergibt sich immerhin eine stattliche Summe von 21.500 €.

 

 

Abends in Chiang Mai angekommen, beziehen wir unsere Zimmer. Anschließend steht das Abendessen auf dem Programm. Das Essen und die Beilagen sehen allesamt sehr lecker aus, und so lange ich reichlich zu. Bedingt durch die landestypische Würze bleibt meine Auswahl aber fast unberührt: die Soßen sind zu scharf. Im Anschluss esse ich den Reis nur noch pur.

 

 

Nach dem Mahl holen wir unsere beiden Franzosen vom Flughafen ab: Michel und den sportlichen Leiter Frederic. Wir liefern sie im Hotel ab und begeben uns auf kleine Erkundungstour durch die Stadt. Kurz nach Mitternacht ist hier die Hölle los: die Marktstände sind allesamt besetzt, und die Touristen rennen sich gegenseitig über die Füße. Also besuchen wir eine kleine Bar. Es dauert nicht lange, bis wir von jungen thailändischen Tänzerinnen belagert werden. Diese sind aber genauso schnell verschwunden, als wir anklingen haben lassen, dass wir uns fürs Erste nur unterhalten wollen. Den über den Tag entstandenen Mineralienverlust gleichen wir somit nur in kleiner Runde aus.

 

 

Der nächste Tag steht ganz im Zeichen der Akklimatisation: Radfahren, Essen und  Stadtbummel.

 

 

Beim morgendlichen Training überholt uns die bahreinische Nationalmannschaft kreiselnderweise. Ähnlich geschlossen treten sie auch während des Rennens auf. Erblickt man eins von ihren roten Trikots, sind die anderen nicht sehr weit.

 

 

Beim Stadtbummel treffen wir rein zufälligerweise auf Nadia. Wir fragen sie aufgrund ihres europäischen Erscheinungsbildes nach dem Weg. Im Small-Talk erfahren wir, dass sie eine ausgebildete Physiotherapeutin ist und sich so durchs Leben schlägt. Kurzerhand engagieren wir sie als neues Teammitglied.

 

 

Nachmittags gehe ich noch in den Pool des Hotels schwimmen. 18 °C warmes Wasser sind auch bei den äußeren Temperaturen von >30 °C nicht wirklich angenehm, so dass ich es beim Relaxen auf der Liege belasse. Beim abendlichen Festmahl geben sich die Organisatoren ordentlich Mühe, aber der Funke springt auch bei der Karaoke-Show nicht über. Lediglich die Nationalmannschaft von Sri Lanka zeigt uns ihr Können. Folglich nehmen wir mit unserem Neuzugang einen weiteren Stadtbesuch vor. Sie führt uns ein wenig durch die lebhaften Straßen. Auch heute Abend herrscht auf dem Night-Basar wieder mächtig Rummel.

 

 

 

 

Am nächsten Morgen steht schon der erste Bustransfer an. Überpünktlich werden wir an den Start der Eröffnungszeremonie in einen Safari-Park gefahren. Nach ein bisschen Getöse beginnen wir von hier unsere Eröffnungsfahrt: geschlossen macht sich das Feld auf eine Reise von fast 40km zum Startort des Prologes. Aufgrund von Tempoverschärfungen teilt sich das Feld, und die Nachzügler sorgen für eine Verschiebung des Zeitplans um eine halbe Stunde (es sollte die einzige Änderung im Zeitplan sein).

 

 

Der Kurs des Prologes erweist sich als fahrtechnisch anspruchsvoll: 5 km geht es sowohl wellig als auch winklig auf einem 1,5 m breiten Pfad durch ein Parkgelände. Zumindest unsere Truppe übersteht den Tag unfallfrei. Aber andere Teams haben schon erste Ausfälle. Übermut in einer der vielen Achterbahnkurven sorgte für schwerwiegendere Verletzungen. Auf einem weiteren zweistündigen Transfer werden wir zu unserem Quartier gefahren. Die über den Tag geleerten Wasserflaschen füllen sich in dem Bus ohne Toilette nach und nach wieder. Danach ist man dann wieder aufnahmefähig für Nahrung aller Art.

 

 

Ich sitze neben einem Thailänder, der für die Nationalmannschaft seines Landes fährt. Ich frage ihn, ob er bei der Weltmeisterschaft dieses Jahr in Salzburg startet. Dabei stellt sich heraus, dass er bis dato nichts von der Existenz eines solchen Events wusste. Auch der aktuelle Weltmeister Tom Boonen ist ihm kein Begriff. Er freut sich jedenfalls über die aktuelle Ausgabe des Magazins procycling, die ihm Tobias schenkt, auch wenn er der deutschen Sprache in Schrift und Sprache nicht mächtig ist.

 

 

Die Rundfahrt beginnt am nächsten Morgen richtig: gleich nach dem offiziellen Start werden die ersten Attacken gefahren. Auch unser Team hat immer einen dabei. Ein enteilter Solist, der am ersten Hügel attackierte, sorgt für ein gemäßigtes Fahren im Feld. Unter dem Gesichtspunkt, dass immerhin 200 km auf dem Programm stehen, kommt das den meisten Teilnehmern hier entgegen. 80 km vor dem Ziel wird der einsame Kämpfer eingeholt und die Jagd auf den Etappensieg beginnt. Ständige Attacken sorgen für hohes Tempo. Ungeachtet der Tatsache, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen ist, probiere auch ich diverse Mal mein Glück. Die letzten 50 km werden in einer Stunde absolviert und das Rennen endet im Massenspurt. Zur Belohnung fahre ich mit Rene noch mit dem Rad ins 15km entfernte Hotel. So bleibt uns wenigstens die Busfahrt erspart.

 

 

 

 

Die Hitze macht einem schon heute zu schaffen: der Flüssigkeitsverlust ist enorm und die Haut scheint zu brennen.

 

 

Die weiteren Stunden des Tages gehen schnell vorbei: Essen, Trinken und Erholen.

 

 

Das folgende Rennen beginnt in horrendem Tempo: die ersten 40 km werden in zügiger Reisegeschwindigkeit absolviert: 52 km/h. Fortwährende Attacken schrauben das Tempo in die Höhe. Meine fünfte Attacke ist von Erfolg gekrönt. Zusammen mit 15 weitern Fahrern setze ich mich vom Feld ab. Vier Teamfahrer des zur Zeit führenden Mannes in der Gesamtwertung leisten dabei keine Führungsarbeit („Don’t work“). Auch der Fahrer, der heute das Gelbe Trikot übernehmen wird und dieses bis zum Ende der Rundfahrt verteidigt, liegt nur hinten drauf. Trotzdem bauen wir den Vorsprung auf das Feld bis zum Fuß des langen Anstieges, der 25 km vor dem Ziel beginnt, auf 7min aus. Hier attackieren jetzt die fünf oben angesprochenen Sportler und fahren Ruhm und Ehre aus. Für mich beginnt der Kampf gegen den Berg und gegen mich selbst. Schwindende Kräfte und zunehmender Hunger machen mich nicht wirklich schneller. So kassiere ich heute 15 min auf den Sieger und auch vom zerstückelten Hauptfeld werde ich noch aufgefahren. Das Fazit des Tages lautet: immerhin 2,5 Stunden Tete de la Course.

 

 

Komischerweise fühle ich mich am Abend trotz der Anstrengungen (Durchschnittspuls: 185) besser als am Vortag. In der Ferienanlage, die uns heute beherbergt, lässt es sich zudem sehr gut erholen.

 

 

Dass nicht nur die Rennen selber Anstrengungen erfordern, beweist der nächste Tag: Nachdem wir um 5 Uhr morgens unser Frühstück verschlingen, werden wir in Bussen zum Start gefahren. Die Strecke dorthin führt größtenteils bergab. Der Busfahrer übertreibt es aber mit seiner Fahrweise und überhitzt das Gefährt. In der Zwangspause können sich unsere Mägen ein bisschen erholen, und die Hoffnung wächst, dass wir um die heutige Etappe herumkommen. Aber nach 15 min geht es weiter und wir treffen noch pünktlich zum Start ein, der um 8 Uhr erfolgt. Die noch verbleibende Zeit zum Startschuss stellt man sich als Motiv für Fotos, die wieder in großer Anzahl geschossen werden, zur Verfügung.

 

 

Heute gilt es lediglich 230 km zu bewältigen, wobei sich uns auf den ersten 50 km der schwerste Berg der Rundfahrt in den Weg stellt. Ich bin nach der gestrigen Aktion überrascht, dass ich in der Gruppe nach dem Gelben über den Berg komme. Bergab fährt sich aber wieder alles zusammen und das „Hauptfeld“ (knapp 50 von 90 heute gestarteten Fahrern) stürmt gen Ziel. Ich habe den Eindruck, dass es auch nach der schon überwundenen Höchstschwierigkeit stetig berghoch geht. Jedenfalls kann man keinen Tritt auslassen. Für Marcel ist heute die Rundfahrt beendet: er steigt aus.

 

 

Als wäre dieser Tag nicht schon Anstrengung genug, begeben wir uns nach der Zieldurchfahrt auf einen weiteren zweistündigen Transfer. Todmüde treffen wir um 16:30 Uhr im Hotel ein. Nachdem ich meine Habseligkeiten auf das Zimmer gebracht habe, warte ich die verbleibende Zeit zum Abendessen liegenderweise ab. Kurz nach dem Dinner fallen mir dann die Augen zu.

 

 

Auf der vorletzten Etappe stehen dann noch einmal 200 km an. Diese Distanz wird eigentlich komplett in Reihe gefahren. Trotz des zu Halbzeit des Rennens zu erklimmenden Berges, der die Rolle des Scharfrichters übernimmt und das Feld dezimiert, steht am Ende des Tages ein 45er-Schnitt auf dem Tacho. Im Massenspurt gelingt Michel die beste Platzierung unseres Teams: er wird 7. und ärgert sich, dass er 150 m vor der Ziellinie eingebaut wurde.

 

 

Den Abend verbringe ich mit meinem Zimmerkollegen Tobias in Pettaya, einer Stadt, die ca. 3 Nummern kleiner ist als Bangkok. Bei der nächtlichen Besichtigung reicht mir dieser Stress hier schon vollkommen aus. Ich gönne mir in einem der zahlreichen Massagesalons eine einstündige Fußmassage. Die Freundlichkeit der Gastgeberin ist aber vorbei, sobald das Geld (200 Baht = 4,50 €) den Besitzer wechselt. Ich will mich noch bedanken (schließlich sind meine Füße jetzt so sauber wie selten zuvor), aber das registriert die Dame schon gar nicht mehr. Sie ist schon auf der Suche nach neuen potentiellen Kunden und ruft in die Menge: „Body-Massage“.

 

 

Diese nächtliche Aktion können wir uns erlauben, da der Start der letzten Etappe erst nachmittags erfolgt.

 

 

Der Wind bläst dabei meist von vorne, was uns natürlich entgegen kommt. Michel fährt aber zweimal platt und stürzt einmal, so dass auch wir immer treten müssen. Der letzte Massenspurt findet auf einem noch nicht fertiggestellten Teil des Bangkoker Flughafens unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Lediglich die abgestellten Schulklassen sollen wie auch in den vergangenen Tagen mit „Thailand“ -Chören für Stimmung sorgen.

 

 

Im Hotel findet abends die Abschlussfeier statt. Es wird gutes Essen gereicht: Fritten und Nudeln (leider zu wenig). Bei der anschließenden Karaoke-Show zeigen die Jungs aus Sri Lanka noch mal ihr Können. Aber auch unsere Nadia beweist Gesangstalent. Nach Beendigung dieses Pflichttermins stürzen wir uns mit einem Teil der Holländer ins Nachtleben von Bangkok. Von der Disco, die wir besuchen, bleibt mir vor allem der Toilettenbesuch in Erinnerung: selbst vor dem Verrichten des (kleinen) Geschäfts kommt Personal und drückt die Spülung. Auch für das Betätigen des Seifenspenders wird gesorgt. Nach dem Händewaschen reicht ein anderer ein vorgewärmtes Handtuch: andere Länder, andere Sitten.

 

 

Gegen 3:30 Uhr machen wir uns auf den Heimweg. Kaum zu glauben: In der Nacht von Sonntag auf Montag ist die Hölle los. Die vierspurigen Straßen sind sehr gut gefüllt, und auch auf den Baustellen herrscht reger Betrieb.

 

 

Am nächsten Morgen erleben wir dann noch einmal Bangkok bei Tag: Bootfahren und Sightseeing. Trotz des touristischen Hintergrundes ist der Besuch dieser Stadt eine stressige Angelegenheit. Deshalb bin ich froh, dass mein Flieger schon heute geht. Die anderen fliegen erst morgen.