Die
Griechenlandreise beginnt mit einem planmäßigen Halt Aichach.
Hier starte ich bei einem 105 km langen Rundstreckenrennen, weil
diese Lokalität günstigerweise auf dem Weg der weiteren
Reiseroute liegt. Nach 5 Stunden Autofahrt langt es für einen 34.
Platz. Dieser ist natürlich nicht als miserabel einzustufen, aber
insgeheim hatte ich mir schon ein besseres Abschneiden erhofft.
Erwähnenswerte Randnotiz des Rennens bleibt, dass die
Milram-Jungs aus dem Kontinentalteam derzeit nur mit einem Trikot
und einer Hose ausgestattet sind. Ein Sportler aus dieser Truppe
hatte sich während des Rennens kurz mit meinem
Griechenland-Kollegen Thomas unterhalten. Zusammen mit ihm mache
ich mich im Anschluss von Aichach auf den Weg nach Niederbayern,
wo der Treffpunkt unseres Teams ist. Schnell waren die Klamotten
im Bus verstaut und nach 16 Stunden Fahrt treffen wir planmäßig
in dem mir noch von vor zwei Wochen bekannten Montenegro ein, wo
wir die beiden Schweizer unseres Teams abholen. Diese Gelegenheit
verknüpfen wir natürlich mit einer kurzen Trainingseinheit, die
wir bei strahlendem Sonnenschein absolvieren. Anschließend geht
die Reise unserer nun vervollständigten Mannschaft weiter. Dies
sind im Einzelnen neben dem schon vorhin erwähnten Thomas,
Philipp, Florian, Janusch und Laurent sowie meiner Wenigkeit. Die
sportliche Betreuung übernehmen Benno jun. und Benno sen.
Die
weitere Reise führt uns von Montenegro über Albanien und
Mazedonien nach Griechenland. Die Erlebnisse dieser Wegstrecke
kann man durchaus als Bewusstseinserweiterung einstufen. Schon der
Grenzübertritt nach Albanien wird erst mit dem Durchfahren einer
„Desinfektionsflüssigkeit“ möglich. Obligatorisch ist das
Zahlen mehrerer Euros für diese Reinheitskur. Auch sonst kann man
sagen, dass durch die Übergabe diverser Begrüßungsgelder an die
Grenzbeamten die zeitliche Länge des Aufenthaltes verkürzt wird.
Nach
vielen Kilometern Landstraße, wo wir diverse Eselskarren überholen,
kommen wir nach Tirana. Das Erscheinungsbild dieser Stadt kann man
durchaus zweigeteilt sehen: neben unansehnlicheren Vierteln gibt
es aber auch Prachtbauten. Die Straßen sind bis auf wenige
Ausnahmen fast durchgehend schlecht. Manchmal ist selbst
Schrittgeschwindigkeit zu schnell.
Allseits
präsent ist in dieser Stadt auch während der Nachtstunden die
Polizei. Die Ausrüstung von dieser ist ganz und gar nicht
schlecht: Für geländegängige Einsatzwagen (Hummer; der Wagen,
den auch Arnold Schwarzenegger sein Eigen nennt) und Radarpistolen
ist Geld vorhanden.
Nach
diesen Eindrücken verschlafe ich die Durchfahrt von Mazedonien
fast gänzlich. Ich wache erst wieder auf, als wir bei der
Einreise nach Griechenland unplanmäßig an der Grenze verweilen:
ein in unserer Gruppe reisender weltweit erfolgreicher
Tandemsportler hat offensichtlich Probleme mit seinem Reisepass.
Nach langen Hin und Her lösen wir die Angelegenheit auf unsere
Weise. Wir erwecken den Anschein, das Sorgenkind an der Grenze zurückzulassen,
und fahren ohne ihn los. Nach mehreren hundert Metern halten wir
aber auf einem Hinterhof und warten bis uns der Zurückgelassene
per pedes wieder einholt, nachdem er sich unauffällig vom Grenzwärter
verdrückte. Wenig später geraten wir dann natürlich in eine
Polizeikontrolle. Als ich mich wieder auf einen längeren
Aufenthalt einstelle, bin ich überrascht, dass dieser Stopp nur
von kurzer Dauer ist.
Die
weitere Reise zu unserem Zielort Volos verläuft ohne besondere
Vorkommnisse. Wir haben sogar abends noch Zeit kurz vor Eintritt
der Dämmerung in Griechenlands drittgrößter Stadt 60 min auf
dem Rad zu trainieren.
Das
Hotel, in dem wir nächtigen, liegt an einer vielbefahrenen
Hauptstrasse. Dementsprechend laut ist auch der Geräuschpegel.
Irgendwann fallen aber auch mir die Augen zu. Das Zimmer teile ich
mir während der kommenden Tage mit Thomas, der grauen Eminenz des
bayrischen Radsports, und Philipp, der erst vor 2 Wochen den Frühjahrsklassiker
Köln Schuld Frechen gewonnen hatte.
Die
Startzeremonien finden am Morgen bei bestem Wetter und guter
Musik, die aus den Boxen dröhnt, statt. Die erste Etappe kommt
uns Fernreisenden aufgrund fehlender Berge entgegen. Auf einer
leichten Windkante haben Bergflöhe aber schon Probleme. Daher bin
ich im Begriff vorzufahren. Leider streckt es mich bei dieser
Aktion auf den Asphalt. Ein Polizeimotorrad der Streckensicherung
ragte aus einer Einfahrt heraus. Irgendwo im Feld hat es jemand
touchiert und kommt zu Fall. Folglich stürzen knapp 20 Fahrer, zu
denen auch ich gehöre. Zum Glück waren bis zum Ziel lediglich
nur noch 12 km zurückzulegen. Hier suche ich gleich den Doc auf,
der reichlich Indianerfarbe aufträgt.
Zu
allem Überfluss reiße ich mir am nächsten Tag auch die andere
Seite auf. Dieses Mal trage ich aber selber die Schuld dafür. Auf
einer Abfahrt war schlicht die Geschwindigkeit bei einer
Kurvenfahrt unangepasst gewesen. Mein Vorderrad rutscht auf der
staubigen Straße weg. Der Doc im Ziel kennt mich auch noch von
gestern.
Die
renntechnischen Strapazen waren heute auch nicht ohne: 3 Berge und
ständiger Gegenwind sowohl bergauf als auch bergab waren sehr
zermürbend. Die größte Gruppe ist heute das Grupetto. Ich komme
irgendwo zwischen Spitze und Schluss im Mittelfeld ins Ziel.
Um
weiteren Stürzen aus dem Wege zu gehen, fahre ich auf den beiden
folgenden Flachetappen konsequent an letzter Position im Feld. Als
Schwierigkeiten stehen lediglich Windkanten an. Ganz unangenehm
ist es, wenn der Wind von rechts weht. Dann bildet sich die
Staffel mit der langen Fahrerschlange im Gegenverkehr aus. Zwar
ruht der Verkehr hier, aber es stehen immer mal PKW’s oder
LKW’s im Wege, die umkurvt werden müssen. Dies geschieht meist
mit minimalen Abständen, um dem nachfolgenden Fahrer (und Gegner)
möglichst keinem Windschatten zu gewähren. Bei einer solchen
Aktion fährt der Zweite der Gesamtwertung in den neben der Straße
befindlichen Acker. Er wird erst wieder nach einer Richtungsänderung
im Feld gesichtet, als die Kante überstanden war. Mein
Zimmerkollege Thomas, der aufgrund seiner Statur und seines
Könnens einen guten Platz in der Staffel verteidigen konnte,
berichtet nach dem Rennen, dass dieser absichtlich abgedrängt
worden ist.
Erwähnenswert
ist die Alleinfahrt eines Bulgaren, der mindestens 70 km lang vor
dem Feld fährt und knapp 1 Minute Vorsprung ins Ziel rettet, das
im historischen Olympia liegt.
Am
Nachmittag schauen wir uns die historischen Stätten etwas näher
in der Funktion als Touristen an. Mit viel Fantasie sind im
Stadion Sitzplätze, Kassenhäuschen und Anzeigetafel der damals
sehr fortschrittlichen Griechen zu erkennen. Im Internetcafe des
Ortes kann man anschließend dann auch mal wieder Kontakt zur Außenwelt
aufnehmen. Die scheinen in diesem Land nicht sehr verbreitet,
vielleicht sind sie uns wieder einen Schritt voraus und sind schon
auf neuartigere Kommunikationsmittel umgestiegen!?!
Die
letzte Etappe wird dann am nächsten Morgen bei einstelligen
Temperaturen gestartet. Heute wird es wieder anspruchsvoller, da
drei Bergwertungen anstehen. Ich bin heute nicht in der Lage ans
Limit zu gehen. Der Diplom-Trainer Thomas erklärt mir auf der
langen Rückfahrt nach Deutschland, dass als Ursache ein
neuronaler Erschöpfungszustand der Muskulatur in Betracht kommt.
Jedenfalls komme ich wieder zwischen Spitze und Grupetto ins Ziel,
wo ich letztendlich den 59. Rang der Gesamtwertung einnehme.
Anschließend
an das Rennen essen wir noch schnell zu Mittag, um uns dann auf
die Heimreise begeben. Den Tandemsportler, der ja nur noch seinen
Personalausweis besitzt, und andere Flugwillige geben wir noch
schnell am Aeropuerto ab, bevor wir die Autobahn Richtung
Deutschland ansteuern, wo wir rund 30 Stunden später mit
Schneeregen empfangen werden.
|