Wir
treffen zu nächtlicher Stunde in San Jose ein.
T-Shirt-Temperaturen lassen jegliche noch vorhandenen winterliche
Gefühle verschwinden. Nach einigen Wirren um das Fluggepäck,
werden wir von 2 Fahrern, die uns im Auftrag der Organisation
abholen, in Empfang genommen.
Schon
der Transport vom Flughafen zum Hotel verrät viel über die
Lebensweise der Einheimischen: Die verpackten Räder werden wild
gestapelt und mit einem dünnen Faden auf dem Dach des Busses
befestigt. Die Fahrweise des Busfahrers ist dem nicht wirklich
angemessen. Jede Unterführung und jeder abstehende Ast lassen
mich innerlich zusammenzucken. Trotzdem geht alles gut („Pura
Vida“).
Auf
der Fahrt fallen zudem die riesigen Werbeplakate entlang der
Hauptstrasse ins Auge. Der Einfluss Amerikas ist nicht zu übersehen.
Entlang der Hauptstraße vom Flughafen bis zu unserer Unterkunft
(immerhin mehr als 30km) zieht sich ein geschlossenes Band von
verbarrikadierten Häusern. So ganz ungefährlich lässt es sich
hier anscheinend nicht leben. In einer Siedlung ähnlich
gestalteter Häuser steht unsere erste Unterkunft, das „Casa
Conde“. Ein Wachdienst soll den Anschein von Sicherheit wecken.
4 Sterne, die über dem Torbogen hängen, machen dieses wohl auch
nötig.
Abends
gibt es bei deutscher Weihnachtsmusik
immerhin ein Mahl, das meine Erwartungen deutlich übertrifft.
Dass sich die Hauptzutaten in den nächsten 2 Wochen nicht ändern
werden, kann ich jetzt noch nicht wissen. Geschmeckt hat es mir
immer - morgens, nachmittags und abends.
Die
folgende Nacht ist eher unruhig: die Zeitumstellung steckt in den
Knochen und das fehlende Gepäck bereitet Sorgen. Dieses taucht
zum Glück am nächsten Tag wieder auf, aber auch nur aufgrund des
eigenen Engagements unserer Gruppe. Ähnliche Vorkommnisse auf der
Rückfahrt lehren mich, in Zukunft nur noch mit so wenig Gepäckstücken
wie möglich zu verreisen. (Anmerkung am Rande: Ein gestriges
Telefongespräch der Fluggesellschaft zeigt auf, dass der
verschollene Karton nicht lokalisierbar ist – das kommt mir doch
irgendwie bekannt vor ###Update
vom 21.1.: der Koffer kommt um 21:30 Uhr unversehrt bei mir wieder
an; lediglich die Schmutzwäsche riecht ein wenig###).
Jetzt ist endlich der erste Tag der Rundfahrt gekommen. Nach
morgendlichem Akklimatisationstraining steht nachmittags die Eröffnungsfeier
mit anschließendem Prolog an. Schon die Eröffnungsfeier, die vor
ausverkauften Rängen im Velodrom stattfindet, deckt den
Stellenwert dieser Veranstaltung auf. Auch wenn wir uns die Beine
in den Bauch stehen –Nationalhymnen und Fahrervorstellungen
ziehen die Veranstaltung ziemlich in die Länge - die Erfahrung
ist mir das wert. Der Respekt gegenüber uns Deutschen ist enorm;
dieser wird sich in den kommenden Tagen, bedingt durch unser
Abschneiden, wieder legen.
Die
drei Runden auf der Bahn sind in Anbetracht des Vorgeplänkels
schnell gemeistert.
Zum Start der ersten Etappe, der 100km von unserer Unterkunft
entfernt ist, werden wir mit unseren Pick-Ups gebracht. Schon
jetzt fängt die Dauerberieselung des hiesigen Gassenhauers „Gasolina“
(den Interpreten habe ich zum Glück mittlerweile vergessen) an zu
nerven. Dieser Musikschmaus wird uns in den nächsten Tagen immer
zu Ohren kommen, wenn wir die Türen unseres Mannschaftswagen öffnen
und einsteigen.
Jedenfalls lässt sich an den Startzeremonien dieser ersten Etappe
(Böllerschüsse und das Kreisen des Helikopters, der für eine Übertragung
im Fernsehen sorgt sowie Scharen von Menschen, die sich um die
Fahrer versammeln) die Relevanz dieses Ereignisses abermals
verdeutlichen. Vieles kannte ich bis dahin nur von den großen
Rundfahrten aus dem Fernsehen, und hier bin ich nun einer der
Darsteller – ein unglaubliches Gefühl.
Schon in der Neutralisation dieser Etappe habe ich einen Puls
(>170), der weit über den normalen Trainingspuls der letzten
Wochen ausschlägt. Der Körper sagt mir, dass er noch nicht an
die Hitze gewöhnt ist. Die Etappe verläuft nach einer schnellen
Anfangsphase zur Mitte hin eher ruhig, worüber ich nicht wirklich
traurig bin. Erst die letzten 70km wird wieder gebraten: Windkante
und ein Sturz sorgen
für eine Teilung des Feldes. Jetzt bemerke ich auch den
sogenannten Fußsohlenbrand, ein Phänomen, dass mir immer unter
sehr heissen Bedingungen Probleme bereitet. Deshalb versuche ich,
jeden möglichen Tritt auszulassen.
Im
Ziel fühle ich mich nicht wirklich gut. Ein Wasserbauch sorgt für
den Drang, eine Toilette aufzusuchen. Hunger habe ich auch nicht
wirklich, weshalb ich das Mittagessen auslasse. Anhaltender
Durchfall senkt die Hoffnung auf eine erfolgreiche Teilnahme an
dieser Rundfahrt. Zum Glück kommt im Laufe des Nachmittags der
Appetit wieder. Da das Mahl mittlerweile abgetischt ist, sind
Improvisationskünste gefragt: „Schoko-Bällsche“ (zu deutsch:
Nestle Choco-Pops), die vom Veranstalter gestellt wurden, leisten
jetzt gute Dienste und schmecken (noch). So endet der erste Abend
wenigstens mit steigender Stimmung und dem in unserer Mannschaft
entfachten Knabberspaß.
Am nächsten Morgen steht schon die nächste Etappe auf dem Plan.
Der Start ist scharf, weshalb ich Mühe habe, meinen Platz im Feld
zu finden. Nach dem ersten Hügel und knapp 30km Windkante legt
sich das Tempo wieder. Ein typischer Rennverlauf: Vollgas oder
kullern auf dem kleinen Blatt – sehr unrhythmisch, so dass auch
wir die ersten Ausfälle haben. Immerhin kann ich mich im für
eine „Flachetappe“ (diese Bezeichnung kann man hier in CR
eigentlich streichen) topographisch anspruchsvollen Finale im
Hauptfeld halten – ich bin mit meiner Leistung zufrieden. Die
gestrigen Sorgen bestehen nicht mehr: der Stuhlgang hat sich
mittlerweile wieder normalisiert und auch die Salzränder an
Trikot und Hose sind nicht mehr besorgniserregend.
Ähnlich verlaufen die folgenden Etappen: unrhythmisch; ständiges
Auf und Ab.
Auf
der ersten Bergetappe erwischt auch den vorletzten unserer Truppe
die Karenzzeit. Deshalb muss ich die letzten 9 Etappen im
Alleingang bestreiten. Im ersten Moment ist mir das Fahren im Feld
ziemlich unangenehm. Ständig höre ich Sätze, in denen das Wort
„Alemania“ vorkommt. Das kann natürlich positiv und negativ
sein – dafür müsste man allerdings spanisch können. Im
Gruppetto, das bis zum Ende der Rundfahrt so ziemlich aus
denselben Fahrern besteht, erarbeite ich mir allerdings schnell
Respekt, so dass zumindest zu diesen Fahrern guter (kollegialer)
Kontakt besteht.
Bedingt durch unser mäßiges Auftreten will der Veranstalter die
deutsche Delegation ausladen. Umbuchungsprobleme sorgen aber dafür,
dass alles beim Alten bleibt und nur die Abreisewilligen die
Rundfahrt verlassen.
Ein Bergzeitfahren, das wir zeitlich sehr knapp bemessen anreisen,
stemple ich im Vorhinein aufgrund der Kürze der Etappe als
Ruhetag ein. Es läuft nicht wirklich gut. In der Nachbetrachtung
komme ich zu dem Schluss, dass mir meine mentale Einstellung an
diesem Tag die Grenzen gesetzt hat.
Ähnliche Erfahrungen mache ich auch in den folgenden
Tagen: „Guter Kopf“ bedeuten bessere Beine – „schlechter
Kopf“ eben schlechtere. Jedenfalls hätte ein zeitigeres
Erscheinen auch keine bessere Fahrzeit gebracht, da die Warmfahrmöglichkeiten
an diesem Ort nicht vorhanden waren – also unter dem Strich
bleibt: Überstanden und Abhaken.
Es folgt die erste schwere Bergetappe auf über 3000m üNN. Schon
bei der ersten Bergwertung zur dritten Kategorie gehe ich aufgrund
von Windkante und Bergwertungssprint fliegen. Auf der Abfahrt
fahre ich mit 3 Mann Anschlag wieder ins Feld. Natürlich
erschwert ein „Meta Volante“ (zu deutsch: Sprintwertung) diese
Aktion. Jedenfalls sind wir am Fuße des langen Anstieges wieder
im Feld. Ein unrythmischer Anstieg und ungleichmäßiges Tempo
lassen mich aber schnell wieder hinterherfahren: Nach vorne aber
auch nach hinten, es sind tatsächlich noch drei Fahrer hinter
mir, verliere ich den Kontakt zu Fahrern. Diesen Anstieg muss ich
also als Solist bewältigen. Mir wird schnell klar, dass es heute
um alles geht. Kurze Kontakte zum Begleitwagen („Wie lange geht
es noch hoch?“ – „Endlos; das sind bestimmt noch 30km.“)
lassen meine Hoffnungen nicht steigen. Eine halbe Ewigkeit später
komme ich oben an mit ca. 4 min Rückstand auf die nächstvordere
Gruppe. Nebel und Nässe erschweren die Abfahrt. Ich denke mir,
wenn die Gefahren schnell kommen, gehen sie auch schnell vorbei
– also lasse ich es laufen und nehme die Finger von der Bremse.
So fahre ich auf die nächste Gruppe auf und erkenne in ihr den
einheimischen Volksheld Ballestero. Jetzt ist mir klar, dass ich
es innerhalb der Karenz schaffe, da die Organisation eben jenen
Ballestero wohl nicht aus dem Rennen ausschließen wird. Bis zum
Ziel fahre ich auf die Gruppe sogar noch 2 min heraus. So kann ich
mir abends bei einer eigenartigen Feier den Magen ohne schlechtes
Gewissen voll schlagen.
Das folgende Rundstreckenrennen verläuft wie in den ersten Tagen:
Anschlag oder locker. Die letzten 2 Kilometer auf der Windkante
spare ich mir und setze den Blinker. Die morgige Königsetappe an
Heilig Abend spukt mir schon im Kopf. Es folgt noch eine
Behandlung mit dem Compex-Gerät, die tatsächlich Wirkung zu
zeigen scheint.
Den
Puls kann ich heute wieder auf 195 (was für mich immer noch sehr
niedrig ist) jagen, bald 15 Schläge mehr als die letzten Tage.
Vielleicht ist das auch eine positive Auswirkung meiner mentalen
Vorbereitung auf die Etappe gewesen. Ich habe mir immer
eingeredet, dass das Überstehen dieser Etappe mit dem Durchfahren
der Rundfahrt gleichbedeutend ist.
Direkt nach dem Start gilt es, 2600HM am Stück zurückzulegen.
Erste Befürchtungen bewahrheiten sich: Es wird Vollgas in den
Berg gefahren. Ich bin froh, dass ich nicht als erster fliegen
gehe. Nach einem durchaus sportlichen Tempo in der ersten
Rennstunde – alles was geht - sammelt sich am Schluss des Feldes
das Gruppetto. Etwas gleichmäßiger geht es jetzt Richtung
Gipfel. Die 2,5h Aufstieg ziehen sich nicht halb so lang, wie der
Aufstieg, den ich vorgestern noch in der Gegenrichtung als Solist
bestreiten musste; eine Gruppe ist eben auch am Berg Gold wert.
Nachdem wir an der Bergwertung aus für uns unerklärlichen Gründen
aus dem Rennen genommen werden sollten, fahren wir (11 Mann -
immerhin 20% des noch verbliebenen Feldes) zunächst auf eigene
Kappe weiter. Bergab volles Risiko. Die Gegenwellen in der Abfahrt
immer Anschlag. Zum Ziel nach San Jose kreiseln wir mit 5 Mann -
der Rest des Gruppettos scheint dazu nicht mehr in der Lage zu
sein - so dass die Karenzzeit deutlich unterschritten wird. Das
Fakt, uns aus dem Rennen zu nehmen, erweist sich dann hinterher
zum Glück als Missverständnis. Die tatsächlich schwerste Etappe
habe ich somit überstanden.
Am nächsten Tag folgt ein durchaus hügeliges Rundstreckenrennen,
das jede Runde aufs Neue Schmerzen bereitet. Meine Aktion, wieder
in der letzten Runde, angesichts der sicheren Startberechtigung für
den nächsten Tag, den Blinker zu setzen, sorgt für leichte
Missstimmung im Team. Mit dieser Fahrweise erhoffe ich mir,
wichtige Körner zu sparen. Das erscheint mir aufgrund meiner
Unerfahrenheit in Etappenrennen der richtige Weg zu sein; auch
wenn es vielleicht den Eindruck erweckt, motivationslos durch
Costa Rica zu radeln. So verliere ich wieder 1 Minute auf das
Feld; in diesem Moment kann ich aber damit leben.
Die nächsten beiden Tage verbringen wir in den langweiligsten
Unterkünften der beiden Wochen. Zudem muss es ausgerechnet hier
Dauerregen geben. Die Information „San Carlos - muchas
temperaturas“ erweist sich als Ente. So gestaltet sich die Zeit
nach den Etappen als sehr langweilig. Ein durchaus lustiger und
spendabler Pensionswirt hätte uns wenigstens an einem Ort auch am
Nachmittag unterhalten und versorgen können. Aber so fand hier
wenigstens der Abend einen schönen Ausklang.
Zum
ersten Male bei dieser Rundfahrt begleiten uns kleine
Krabbeltierchen auf dem Bettlaken
in die Nachtruhe.
Was
einen nicht umbringt, ....
Die Geschichte der Etappe ist schnell erzählt: Regen, Regen und
nochmals Regen. Nach der Starterhebung (300HM - natürlich
Anschlag) wird gemäßigt gefahren; trotzdem tut jeder Hügel weh.
Im Finale werden auch heute wieder unglaubliche Geschwindigkeiten
gefahren. Wenn man überhaupt noch dabei ist, bereitet es Mühe,
die Reihe zu halten. An ein Nach-Vorne-Fahren ist bei mir nicht zu
denken. Die Nadel steht immer über 55. So teilt sich kurz vor dem
Ziel das Feld noch mal, woraufhin es wenigstens bei uns wieder
langsamer wird.
Diese
Etappenankünfte mit denen von KT-Rennen in Deutschland zu
vergleichen, erübrigt sich – zu groß ist der Unterschied.
Zur drittletzten Etappe geht es ausnahmsweise flach los; erst nach
100km geht es ordentlich bergauf. Aber auch die von einem Betreuer
einer anderen Mannschaft genannte Streckencharakteristik („mountain:
4km uphill and then flat“) stimmt ganz und gar nicht. Der
Anstieg zieht sich über fast 10 km hin, gefolgt von fahrtechnisch
anspruchsvollen Auf- und Abfahrten im fast zweistelligen
Prozentbereich. Den Schlussspurt auf einem ebensolchen Anstieg aus
meiner Gruppe heraus spare ich mir, was wiederum für Dissonanzen
sorgt („Du warst doch der Stärkste in deiner Gruppe“). Ich
jedenfalls freue mich auf Mittag- und Abendessen und bereite mich
auf den vorletzten Tag vor. Erwähnenswerte Randnotiz des heutigen
Tages ist auch, dass ich am Startort für besonderes
Durchhaltevermögen geehrt worden bin. Eine Auszeichnung, die mir
jetzt in der Nachbetrachtung einiges bedeutet.
Am vorletzten Tag wird die letzte schwere Etappe gefahren: gleich
nach dem Start gilt es ca. 800HM zu bewältigen. In den ersten
beiden Neutralisationsrunden durch den Ort organisiert der
Mexikaner Hernandez das Gruppetto. Gleich nach dem scharfen Start
geht das Tempo schlagartig in die Höhe, so dass der Berg zuerst
mal wieder unter Vollast in Angriff genommen wird. Zum Glück
bildet sich schnell eine große Gruppe von über 20 Fahrern, in
der ich sehr gut mitfahren kann. In dieser Schar schleicht auch
eine Radsportprominenz den Berg hoch: der Mexikaner Miguel Arroyo,
der immerhin schon TdF-Erfahrung in den Beinen hat. Nachdem sich
der Anstieg doch fast eine Stunde hinzieht, geht es in die
Abfahrt, in der wir wieder volles Risiko gehen (warum
eigentlich?). Jedenfalls vergrößert sich dadurch unsere Gruppe
und wir gondeln gleichmäßig Richtung Etappenziel. Die Hügel,
die zu bewältigen sind, sorgen trotzdem für Laktatspritzen.
Gerade hier macht sich der Ermüdungszustand meines Körpers
bemerkbar: die Akkus sind spätestens nach 1,5h starker Belastung
leer, und jede weitere Rennminute tut doppelt weh. Jedenfalls
sehne ich unter diesen Umständen die Etappenziele herbei -
allerdings sind es bis dahin meistens noch mehr als 2,5
Rennstunden gewesen.
Im
Ziel angekommen dauert es nicht lange bis man von einer Schar von
Menschen umlagert ist. Die einen wollen Trinkflaschen (ich hatte
leider immer nur zwei am Rad), die anderen wollen einem lediglich
die Hand schütteln. Wieder andere schießen Fotos oder wollen
Autogramme haben. Heute war es aber dann extrem: ein Fan reicht
mir die Hand und lässt sie partout nicht wieder los. Er schwärmt
von Deutschland und unseren Autos. Nach einer Weile versuche ich
ihn loszuwerden und stubbse ihn mit meiner anderen Hand ein wenig
weg. Aber erst nach weiteren Umarmungen und „Pura Vida“-Rufen
lässt er dann von mir ab. Meinen Mannschaftskollegen und dem
versammelten Volk hat es jedenfalls gefallen.
Da die Zimmerkollegen den Abend vor der letzten Etappe auf einem
Stadtfest verbrachten, und sich bei ihrer Rückkehr ins Quartier
netterweise gleich zweimal bemerkbar machten („Komm, wir gehen
jetzt aber doch noch einen Kaffee trinken“), war die Nachtruhe
teilweise gestört worden. Wenigstens war die Musikbeschallung der
nächtlichen Stunde angemessen. All dies wirkte sich aber auch
nicht mehr auf die Verfassung der Beine aus – wo nichts ist,
kann man auch nichts hernehmen.
Für den letzten Tag bekomme ich die Anweisung, auch die ein oder
andere Attacke zu fahren. Doch irgendwie habe ich in den
entscheidenden Momenten nicht die Traute, das Heft mal in die Hand
zu nehmen. So läuft die Geschichte der Etappe auch heute ohne
mich ab. Glücklicherweise kann ich aber einem Sturz im Feld
entweichen. Nach den 12 Startrunden, in der wieder ein Mensch
neben dem anderen steht, geht es hügelig Richtung
Ziel. Auf einer Steigung ereilt mich der erste Plattfuss
der Rundfahrt. Ein ziemlich derbes Loch erwische ich ungünstig
bzw. die mäßige Geschwindigkeit reicht nicht aus, um vollständig
drüberzuspringen. So lässt sich der Durchschlag am Hinterrad
nicht vermeiden. Diverse Probleme beim Wechseln des Hinterrades
sorgen dafür, dass ich die letzten 30 km als Solist fahren muss.
Ich fahre zwar zügig aber nicht mit letzter Konsequenz, die für
ein Einholen des Hauptfeldes nötig gewesen wäre. Hier limitiert
mich anscheinend mein mentaler Zustand. So kriege ich jedenfalls
die Stimmung in den sehr gut bevölkerten Strassen hautnah mit.
Einen Umstand, den ich mir aber trotzdem gerne erspart hätte.
Irgendwann fahre ich zu einer kleinen Gruppe auf, die sich bei
einem weiteren Sturz in einer kurvigen Abfahrt gebildet hatte. Mit
dieser bestreite ich die letzten Kilometer der Rundfahrt. Diese
Kilometer sind wiederum sehr wellig, eben typisch für Costa Rica.
Man gewinnt den Eindruck, dass bei jeder Etappe kurz vor dem Ziel
solche Schwierigkeiten eingebaut wurden, damit auch bloß kein
Ausländer eine Etappe gewinnt. Aber davon abgesehen wäre ein
Etappensieg für mich in diesem Jahr aufgrund meiner defensiven
Fahrweise unmöglich gewesen.
So
habe ich aber immerhin die Rundfahrt beenden können.
Die
während des Defektes bei Sportler und Betreuer aufgekommenen
Spannungen verfliegen am Abend aber schnell wieder, und die 2
Wochen enden in Eintracht bei Reis, Bohnen und Nudeln.
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